Der Platz (Bibliothek Suhrkamp) Annie Ernaux

Pressestimmen »Das unsentimentale Porträt eines Mannes, der bewundert und geliebt wurde, aber sein Leben lang aufgrund seiner Herkunft und Bildung isoliert blieb. Sehr berĂ¼hrend.« Kirkus Review»Ein Meisterwerk ... Unvergleichbar ... Ăœberwältigend.« Paris Match»Voll zurĂ¼ckhaltender Emotion und Lebendigkeit.« Le Monde»Anmutig und schön. Ernaux’ internationaler Erfolg ist mehr als verdient.« The New York Times»In Der Platz hält das literarische Ich Einzug in Ernaux’ Schreiben, wird sie zum ersten Mal zur ›Ethnologin ihrer selbst‹.« L'Express»Eine glänzende Millieustudie; ein schmales Buch, aber ein groĂŸer Text.« SWR 27.02.2019»Dieser hochgradig persönliche, manchmal schwer erträgliche Einblick in die Herkunft der vielfach ausgezeichneten Schriftstellerin lässt einen beeindruckt, manchmal beschämt zurĂ¼ck.« Linn Penelope Micklitz, Kreuzer, Leipzig März 2019»Der Platz zeichnet bei aller genauen, harten Beobachtung zärtlich das Porträt eines Typus und einer Schicht, denen die Autorin in deren verzweifelter Stimmlosigkeit eine literarische Stimme verleiht ... leise und wunderbar ...« Barbara Vinken, Die literarische Welt 09.03.2019»Ohne jemals sentimental zu werden, schreibt Ernaux durchaus ergreifend – und sie beherrscht die stilistischen Register, die eben das ermöglichen.« Arno Orzessek, rbb kulturradio 11.03.2019»Annie Ernaux’ Ton speisen in Der Platz rivalisierende Haltungen – und dennoch bestehen in dieser zutiefst anrĂ¼hrenden Miniatur Respekt und Unverständnis, Achtung und Verachtung ganz nah und natĂ¼rlich nebeneinander.« Lars von der Gönna, Westdeutsche Allgemeine 11.03.2019 Ăœber den Autor und weitere Mitwirkende Annie Ernaux, geboren 1940, bezeichnet sich als »Ethnologin ihrer selbst«. Sie ist eine der bedeutendsten französischsprachigen Schriftstellerinnen unserer Zeit, ihre zwanzig BĂ¼cher sind von Kritik und Publikum gleichermaĂŸen gefeiert worden. Sonja Finck, geboren 1978 in Moers, studierte LiteraturĂ¼bersetzen in DĂ¼sseldorf. Inzwischen lebt sie als literarische Ăœbersetzerin in Berlin und Gatineau (Kanada).
Literatur ohne Schnörkel.
Wie schon in ihren vorangegangenen BĂ¼chern benutzt Annie Ernaux autobiographische Erinnerungen, um Szenen aus ihrem Leben in Erzählungen umzuwandeln.Dieses Mal geht es um ihren Vater, zu dem sie lange ein sehr entferntes Verhältnis hatte.Wir erinnern uns, dass die Autorin dem Milieu ihrer Familie frĂ¼h entwachsen war.Sie war hoch begabt, studierte und brachte es in Frankreich zu Ansehen als preisgekrönte Schriftstellerin.Zwei Monate nach ihrem bestandenen Examen als Lehrerin fĂ¼r den höheren Schuldienst starb ihr Vater. Ein Ereignis, dass sie zum Nachdenken und nachspĂ¼ren seines Lebens motivierte. Er war ihr fremd, da sie sich mit ihrer Entwicklung dem ärmlichen Milieu der Kindheit entfremdet hatte. Wie immer in ihren Schriften ist Annie Ernaux reflektiert, beobachtet genau und kann Ă¼ber ihre Emotionen treffend berichten.So beschreibt sie anschaulich, woher der Vater kam, wer und wie er war.Er entstammte einer armen Familie, die kein eigenes Land besaĂŸ.Als Knecht verdingte er sich bei einem Bauern. Das bedeutete Arbeit von frĂ¼h bis in die Nacht hinein. Später ging er in die Fabrik, und nach Jahren konnten die Eltern sich sogar einen kleinen Lebensmittelladen einrichten. Immer aber blieben sie ihrer unteren Mittelschichtzugehörigkeit verhaftet. Da war es schwer als Tochter, die ja weit aufgestiegen war, die BrĂ¼cken zu den Eltern zu erhalten.Wie der Erste Weltkrieg schon das Leben des Vaters berĂ¼hrte, so entkam er mit MĂ¼hen auch dem Zweiten Weltkrieg. Die Kriege sind weniger wesentlich als vielmehr der Dauerkampf gegen die Armut. Wie A. Ernaux darĂ¼ber berichtet, das hat den Anschein, als spielte sie gar keine Rolle im Leben der Eltern, sondern als ginge es eher immer nur um deren Ăœberlebenskampf. Es blieb wohl nicht viel Zeit fĂ¼r GlĂ¼ck, Zeitvertreib oder gar Zärtlichkeit.Annie Ernaux vermag hervorragend mit Empathie und gleichzeitig mit kĂ¼hler Distanz zu berichten. Man wird hineingezogen in die Sicht eines Daseins, das nicht wirklich ihres war, aus dessen innerer Wahrnehmung ihr Leben aber lange bestand.Hoch kompliziert widmet sich A. Ernaux dem Gedanken um den Zwiespalt zwischen GlĂ¼ck und Fremdbestimmung. Man blieb in den eigenen und anderer Leute Augen immer unzulänglich.Einmal wusste man sich nicht richtig auszudrĂ¼cken, dann wieder gelangte man zu eigenem GlĂ¼ck durch Erwerb eines Hauses mit GrundstĂ¼ck. Ergebnis unendlicher Plackerei. Sezierend sind die Analysen der Autorin Ă¼ber das Leben der Eltern und besonders des Vaters.Das Buch versinnbildlicht den Abschied der Tochter aus der kleinbĂ¼rgerlichen Welt der Eltern.In dieser Welt bemĂ¼hte man sich, nicht aufzufallen, sondern immer den gleichen Regeln von bĂ¼rgerlichem Anstand und Wohlgefallen ihrer Gesellschaftsschicht zu entsprechen. Nur nicht zum AuĂŸenseiter werden!Dieser Abschied ist nicht melancholisch und er ist nicht traurig; eher möchte man ihn als wehmĂ¼tig empfinden. Die groĂŸzĂ¼gige Gedankenwelt der Gebildeten und Arrivierten passt nicht zum kleinbĂ¼rgerlichen Denken von Annie Ernaux’ Herkunft. Das ist ihr Abschied!Das Buch bietet ein mitreiĂŸendes weiteres StĂ¼ck lebendiger Biographie von Annie Ernaux!
In der Auseinandersetzung mit dem Tod des Vaters reflektiert die Protagonistin die Geschichte ihrer Familie und geht dabei der Entfremdung zwischen ihr und ihrer Familie eher beiläufig auf den Grund. Das Buch entfaltet in diesem Kontext seinen speziellen Reiz dadurch, das es unaufdringlich eine Entwicklung nachzeichnet, die fĂ¼r viele Kinder gilt, die es besser haben sollten.....denen, den es gelungen ist, werden das Buch nach der LektĂ¼re möglicherweise nachdenklich aus der Hand legen; ich habe es getan und empfehle es unbedingt weiter.
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